Kommentar

Die Guten Dienste der Schweiz für die USA in Iran sind wichtiger denn je

Bern trägt dazu bei, dass der Konflikt zwischen Washington und Teheran nicht weiter eskaliert. Das Engagement zeigt exemplarisch, was die Schweizer Diplomatie erreichen kann – und was nicht.

Tobias Gafafer 6 Kommentare
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Aussenminister Ignazio Cassis wird in Iran unter anderem seinen Amtskollegen Javad Zarif treffen.

Aussenminister Ignazio Cassis wird in Iran unter anderem seinen Amtskollegen Javad Zarif treffen.

Denis Balibouse / Reuters

Es ist ein Besuch mit einem hohen Symbolgehalt. Vor hundert Jahren eröffnete die Schweiz in Iran ihre erste diplomatische Vertretung. Seit 40 Jahren nimmt Bern in Teheran auch für Washington die diplomatischen und konsularischen Interessen wahr. Am Freitag nun reist Aussenminister Ignazio Cassis für drei Tage nach Iran. Er wird unter anderem seinen Amtskollegen Mohammed Javad Zarif und Präsident Hassan Rohani treffen.

Schon lange hat kein Schweizer Aussenminister mehr das Land besucht. 2016 reiste zwar der damalige Bundespräsident und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann nach Iran. Aber damals stand die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Erholung im Vordergrund. Eine Hoffnung, die sich spätestens nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen 2018 zerschlagen hat.

Cassis’ Reise erfolgt in einem garstigeren Umfeld. US-Präsident Donald Trump hat die Gangart gegenüber Teheran weiter verschärft. Zwar blitzte seine Regierung vor kurzem im Uno-Sicherheitsrat mit der Forderung ab, die einschneidenden Wirtschaftssanktionen gegen Iran wieder in Kraft zu setzen. Doch der Schlagabtausch geht damit lediglich in die nächste Runde. Angesichts dieser Gemengelage ist von Cassis’ Visite wenig Konkretes zu erwarten. Eine Vermittlung zwischen den zwei verfeindeten Staaten, von der Schweizer Politiker immer wieder träumen, dürfte eine Illusion bleiben. Denn dafür brauchte es das Einverständnis und den Willen von beiden Seiten.

Dennoch ist es richtig, dass Cassis die Chance packt, um die Beziehungen auf höchster Stufe zu pflegen. Zwar hat die Schweiz formell in Iran nur für die USA ein Schutzmachtmandat und nicht umgekehrt. Trotzdem soll dieses bei der Visite im Zentrum stehen. Denn seit Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen ist der Kommunikationskanal, den Bern zwischen den beiden Hauptstädten offenhält, auch für Teheran umso wichtiger geworden.

Dieses sogenannte «Briefträgermandat» spielte Anfang Jahr eine zentrale Rolle dabei, dass der Konflikt zwischen den USA und Iran nicht weiter eskalierte, nachdem die USA den iranischen General Soleimani eliminiert hatten. Die Schweiz übermittelte zwischen den beiden Parteien im Eiltempo Botschaften, um potenziell folgenreiche Fehleinschätzungen zu vermeiden.

Zudem nutzte sie ihren direkten Draht zur Administration Trump, um einen Zahlungskanal für Medikamente und andere humanitäre Güter zu schaffen. Nach dem Abgang von Trumps früherem Sicherheitsberater, dem Hardliner John Bolton, gab Washington endlich grünes Licht. Dabei half offenkundig, dass die Schweizer Diplomaten Boltons Nachfolger, Robert O’Brien, bereits gut kannten. Dieser war zuvor Sondergesandter für Geiselfragen, während Bern zwischen Iran und den USA bei mehreren Gefangenenaustauschen vermittelte.

Die Schweiz ist mit ihrem Mandat für Washington in Teheran gegenwärtig gut unterwegs. Sie geniesst bei beiden Parteien volles Vertrauen – und erhält von höchster Seite Lob. Das Engagement zeigt exemplarisch, wie die Guten Dienste im 21. Jahrhundert funktionieren sollten. Die neutrale Schweiz engagiert sich dort, wo sie einen Mehrwert bringen kann. Sie agiert diskret, effizient und mit dem Einverständnis von beiden Seiten, statt wohlklingende, aber chancenlose Initiativen zu lancieren, wie es früher im Nahen Osten der Fall war.

Ob sich das Verhältnis zwischen Washington und Teheran wieder entspannt, hängt von der amerikanischen Präsidentschaftswahl ab. Falls der Demokrat Joe Biden das Rennen macht, ist in der Iranpolitik mit einem Kurswechsel zu rechnen. Auch wenn fraglich bleibt, ob das Atomabkommen von 2015 ohne Neuverhandlungen, die Teheran bis anhin ablehnt, gerettet werden kann. Absehbar ist jedoch, dass die Schweiz bei einem Machtwechsel in den USA an Einflussmöglichkeiten verlieren dürfte. Es entbehrt nicht der Ironie, dass Bern in Washington kaum je wieder so exzellente Kontakte haben wird wie zur Administration Trump.

6 Kommentare
Mirco Schmid

Das Schutzmachtmandat öffnet Türen, die sonst zu bleiben würden. Oberflächlich mögen die Beziehungen zu den USA unter Trump besser sein als auch schon, in der Substanz sehe ich das nicht so. Wenn etwas in Sachen Freihandelsabkommen gegangen wäre, wäre dem so. Im Atomstreit kann die Schweiz nur Botschaften überbringen. Ich bezweifle, dass die Akteure sich dafür interessieren, was die Schweiz einzubringen habe, da es um handfeste geostrategische und sicherheitspolitische Fragen geht.

Werner Moser

Wenn das einzige, was noch übrig bleibt, ein noch nicht abmontierter Briefkasten ist, dann sind die zu Verfügung stehenden Dienste eines Briefbotens tatsächlich wichtiger, denn je. Es ist der noch vorhandene Briefkasten, welcher dazu beiträgt, dass der Konflikt zwischen USA und Iran nicht weiter eskaliert. Und sicherlich auch das Wissen um das Vorhandensein eines Briefbotens. Dieses Engagement zeigt in der Tat exemplarisch, was die Schweizer Diplomtie (Briefbote!) erreichen kann - und was nicht. Vielleicht gäbe es keinen Briefkaste, gäbe es den Briefboten nicht. Ist immer hin mehr, als nichts. Aber leider nicht mehr als das. Hier hat sich die Schweizer Diplomatie mit sehr hartem Brot zufrieden zu geben. Washington/Tehreran sind zur Zeit weiter weg voneinander, als die Erde zum Mond. Leider!

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